Weißrussland 2019

„Na sdorowje!“

Ich gebe es zu, ich hatte Weißrussland als potentielles Reiseziel nie wirklich auf dem Schirm. Trotzdessen mein Papa mich damals versuchte zum Russisch in der Schule zu überreden, wählte ich lieber das elegante Französisch. Umso zurückhaltender war ich bisher vor Ländern, deren Sprache ich weder verstand noch lesen konnte.

„Lasst uns mal nach Weißrussland fliegen, dann kann ich euch meine Heimat zeigen.“ Das war der Satz einer Freundin, mit dem alles begann. „Klar, warum nicht.“ So oder so ähnlich war damals meine Antwort. Könnte nett sein, dachte ich mir. Doch meine Skepsis ließ erst einmal keine all zu große Vorfreude aufkommen. Manchmal ist das ja so. Erst wenn man mit den Reiseplanungen richtig loslegt, beginnt  das Kribbeln der Aufregung. Spätestens als es darum ging, die Flüge zu buchen, hielt ich den Planungsverkehr auf. Tatsächlich brauchte ich bisher nie einen Pass, wenn der Kalender auf Urlaub stand. In heutigen Zeiten fühle ich mich dadurch beinah wie der absolute Reisefrischling. Kaum jemand, den ich kenne, war noch nicht ans andere Ende der Welt geflogen. Ich jedenfalls nicht. Also rannte ich von einem Tag auf den anderen zum Amt, um möglichst schnell das kleine rote Büchlein zu bekommen – etwas Zeitdruck war angesagt, denn Flüge bei Belavia Airlines werden nach hinten raus immer teurer.

„Wo wollen wir in Minsk denn übernachten.“

„Naja, ich würde mal bei Airbnb stöbern. Irgendwas wird sich da schon finden.“

„Mh, so sicher bin ich mir da nicht…“

In der Tat musste ich meiner weißrussischen Freundin Recht geben. Es mag daran liegen, dass es bis 2018 eine Visa-Pflicht für Belarus gab oder weil vielleicht viele das Land zwischen Polen und Russland nicht an erster Stelle ihrer Reise-Bucketlist stehen haben – doch Airbnb fährt hier nicht unbedingt das Angebot à la Spanien oder Großbritannien auf. Spätestens beim Anblick der Zimmerstandards fühlte ich mich etwas spießig. Sind wir Deutschen so verwöhnt? Mit etwas Geduld fand ich schließlich eine ziemlich schicke Wohnung im Herzen der Stadt. Preislich gesehen top – wenn man den im Verlgeich zum Euro schwachen weißrussischen Rubel bedenkt. Wie sich herausstellte, befand sich die Wohnung direkt am Minsker Prospekt, einer 15 Kilometer langen Prachtstraße, die das Zentrum markiert. Im Viertel wohnen all jene, die sich Bentley und Co. leisten können.

Mich selbst brachte das etwas zum Nachdenken. Als deutscher Tourist hat man hier die Möglichkeit, ein klein wenig das Leben der Reichen zu leben, ohne dass es im Geldbeutel schmerzt. Ein Beispiel: Für ein Abendessen mit hochwertigen Speisen, alkoholfreien und alkoholischen Getränken bezahlten wir zu dritt im Schnitt zwischen 50 und 100 Rubel (je nach Restauranttyp und Lage). Das sind beim aktuellen Kurs umgerechnet 20 bis 50 Euro. Für drei Leckermäulchen eine äußerst angenehme Situation.

Man spürt, dass die Weißrussen ein sehr genügsames Völkchen sind, jedoch die Gastfreundschaft äußerst groß schreiben. Woran ich mich gewöhnen musste, war der raue Ton der an vielen Stellen im Dienstleistungsektor herrschte. Vom Kellner bis zur Dame am Fahrkartenschalter  – sobald die Konversation begann, sah man häufig in sehr strenge Gesichter und hörte an der ein oder anderen Stelle genervtes Aufatmen. Nichtsdestotrotz hat mich Weißrussland positiv überrascht und wundervolle Eindrücke hinterlassen.