Ich habe mal wieder festgestellt, dass man nicht unbedingt weit weg fahren muss, um ein wenig Urlaubsfeeling zu erhaschen. Vor nicht all so langer Zeit nutzte ich die Gelegenheit die eigene Heimat ein bisschen mehr unter die Lupe zu nehmen und nahm mit Freunden an einer Eat-the-world-Stadtrundführung durch die Leipziger Südvorstadt teil.
Ich muss ehrlich gestehen, ich wusste zuvor nicht wirklich, was mich erwarten würde. Und so ließ ich gezwungenermaßen alles auf mich zukommen. Etwas, was mir früher so gar nicht leicht fiel. Doch zahlreiche Jahre harter Arbeit an mir selbst, haben schlussendlich dazu geführt, spontaner zu werden, weniger zu planen – Dinge einfach „fließen“ zu lassen. Das mag verrückt klingen. Aber ist es nicht so, dass man gerade nach der Schule viel damit beschäftigt ist, seinen Weg so gerade wie möglich zu gestalten? Mit dem Druck, verliert man auch die Entspanntheit. Umso so gelassener bin ich heute. Reise ich schließlich sogar allein durch die Weltgeschichte. Aber gut, jetzt zur Tour.
Der Tag begann um 10.00 Uhr am Bundesverwaltungsgericht. Hier sammelten sich alle Teilnehmer. Geführt wurden wir von Christiane Eisler – wie sich in einem späteren Gespräch herausstellte, ist sie Fotografin und hat mithilfe einer Fundraising-Aktion im April dieses Jahres ihren Bildband „Wutanfall – Punk in der DDR“ herausgebracht. In Leipzig lebt die gebürtige Berlinerin seit 20 Jahren.
Warmer Römerbraten
Die ersten kulinarischen Köstlichkeiten bekamen wir in einer Fleischerei. Ja, tatsächlich. Ich war etwas überrascht, das muss ich schon gestehen. Hatte ich doch mit weit ausgefalleneren Dingen gerechnet, als einer schnöden Fleischerei. Jedoch sollte ich sofort vom Gegenteil überzeugt werden. Bereits vor der Wende eröffnete die Familie Scheinpflug ihren ersten Laden im Leipziger Osten. Nach vielen Höhen und Tiefen folgte die zweite Filiale im Musikerviertel. Letztere ist vor allem zur Mittagszeit heiß begehrt – und das nicht nur von Professoren und Studenten. Serviert bekamen wir eine große Platte an Wurstauswahl: Schinken, Knacker und warmen Römerbraten. Ein Genuss!
Klassik mediteran genießen
Mit der ersten Stärkung im Magen, ging es weiter. Zwischen Grassi, Mozart und Haydn versteckt sich in der Beethovenstraße eine Augenweide von Restaurant! Ende des 19. Jahrhunderts begann hier alles mit einem Kolonialwarengeschäft. Die noch erhaltene Galerie lässt zweifelsohne staunen und den Wandel der Zeit spüren. Vom Gemüseladen, über den Spätverkauf zu DDR-Zeiten wurde es schließlich Anfang der 2000er ein leckerer Aufenthaltsort mit mediterraner Küche und unglaublichem Charme. Wer hier einkehrt, sollte unbedingt die hausgemachten Gnocchi probieren.
Fußballtatort inmitten von sozialistischem Klassizismus
Den nächsten Stop machten wir in der Windmühlenstraße. Geprägt von sozialistischen Klassizismus erlebt man in der Fußball- und Tatortkneipe einen beinah studentischen Charme. Wer ein bisschen „Ostzeit“ schnuppern möchte, entdeckt hier ein paar Möbelstücke auf denen sicher unsere Großeltern schon saßen. Die Speisekarte verspricht neben der beliebten hauseigenen Limonade eine Mischung vieler Nationalitäten. Uns wurde eine Mango-Kokos-Ingwer-Suppe mit frischen Koriander und Nudeln serviert, die es in sich hatte. Ich glaube, nicht nur ich kam von der Gewürzmischung ins Schwitzen.
Stille Brunnen sind tief – oder so
Nach dem würzig-fruchtigen Suppengenuss kam uns allen die nächste Station sehr gelegen. Da wir mittlerweile schon etwas länger unterwegs waren und die Mittagszeit heranrückte, küsste uns das Suppenkoma – im wahrsten Sinne des Wortes. Noch immer den Geschmack von Koriander und Ingwer im Mund stiefelten wir vorbei am Bayrischen Bahnhof in einen backsteingesäumten Hinterhof. Hier versteckt sich eine Kafferösterei. Bereits als der erste unserer Gruppe die Tür öffnete, umfing uns ein unfassbar köstlicher Kaffeeduft. Beinah benebelt von dem Geruch bemerkte ich gar nicht, dass ich beim Eintreten direkt über einem 10 Meter tiefen Brunnen stand. Dieser wurde bei den Restaurierungsarbeiten am Gebäude entdeckt und erhalten. Nun wird er gesäumt von einer Glasplatte – über die tatsächlich jeder laufen muss, der ins Geschäft hineingeht. Den Espresso den ich hier genoss, war tatsächlich einer der besten, den ich bisher getrunken hatte.
Von Kubanischem Flair bis zur Eismuschel
Die letzten beiden Stationen der Tour führten uns über die Karli. Vorbei an der Löffelfamilie, flanierten wir die belebte Straße entlang. In einem kubanischen Restaurant tauchten wir ein in bunte Wandfarbe, Salsatöne – und einem überaus bequemen, antiquarischen Sofa. Neben einer kleinen Tapasvariation gönnten wir uns hier ein Glas Limonade – eiskalte Limonade wohl gemerkt. Letztere freute sich schon darauf in meinem Bauch Gesellschaft von einem leckeren Eis zu bekommen, welches wir schließlich im letzten kulinarischen Stop bekamen. Wie sich herausstellen sollte, war mein absoluter Favorit der Tour tatsächlich zum Abschluss dran. Warum? Pfeiffers Eisdiele ist eine wahre Zeitmaschine. Beim Eintreten fühlte ich mich Jahrzehnte zurück versetzt: DDR-Flair vom Feinsten. Sogar die Holz-Imitat-Tapete, die meine gesamte Kindheit über in der Wohnung meiner Eltern zu finden war, hängt hier noch an der Wand. Das Milcheis ist nach feinster Familienrezeptur hergestellt und wird in den typischen DDR-Papp-Waffeln serviert – traditionell mit Mini-Plastiklöffel dazu. Nicht nur ich schwärmte von dem Laden, auch andere der Gruppe fühlten sich in ihre Kindheit zurück versetzt. Wenn nicht sofort beim Betreten des Ladens, dann spätestens in dem Moment, als das Eis aus den tiefen, runden Eiskübeln herausgekratzt wurde.
Kleiner Tipp am Rande
- Vor der Löffelfamilie auf der Karli ist ein Plakat angebracht auf dem eine Telefonnummer steht. Ruft man diese an – im Idealfall bei Dunkelheit – beginnt die Familie zu löffeln.
Eat the world – Touren in Leipzig
Anmerkung: Ihr wundert euch vermutlich, warum nicht alle Stationen namentlich benannt sich. Eat the world bat darum, die kulinarischen Partner geheim zu halten. Also falls ihr an der Tour interessiert seid – lasst euch überraschen 🙂 Liebe Grüße, Eni
Hmm, lecker… Macht Appetit für den nächsten Leipzig Besuch.
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…und das ist nur eine kleine Auswahl an kulinarischen Highlights hier in Leipzig 🙂
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