Schottland 2018 – Teil 2
Am ersten Morgen auf der Isle of Mull riss mich der Wecker aus meinen Träumen. Kim, meine Vermietern, gehörte – wie vermutlich jeder auf dieser Insel – zu den eher frühen Vögeln. Also wurde das Frühstück zwischen 7.30 Uhr und 8.30 Uhr serviert. Die Erschöpfung des Anreisetages zerrte an meinen Muskeln und so zog ich mir im ersten Moment die Bettdecke erst einmal über den Kopf. Es war aber auch so gemütlich in diesen Federn. Leise hörte ich die Heizung im Zimmer rauschen und lauschte dem Wind, wie er am Fenster vorbei seine Bahnen zog. Der Hunger war es schließlich, der mich dann doch zum Aufstehen motivierte. Verschlafen trat ich ans Fenster und zog das Rollo nach oben. Dieser Ausblick, der sich mir bot, war so atemberaubend, dass ich es kaum glauben mochte. Orange-golden kämpfte sich die Sonne hinter dem östlichen Hügel empor, der das graue Meer säumte. Ihre warmen Strahlen schien sie mir direkt entgegen und tauchte dabei die Wiesen in ein dunkles grün. Während die weißen Flecken überall genüsslich grasten, sah ich zu wie sich das Farbenspiel beinah sekündlich etwas veränderte und das Wasser glitzern lies. Beim Öffnen des Fensters sog ich die salzige, kühle Luft ein und fühlte mich sofort wacher. Mit dem Geruch von frisch gebackenem Brot in der Nase saß ich wenige Minuten in dem kleinen Wintergarten und genoss Rührei und Kaffee (Auf Kims Frage, ob ich Kaffee möchte, antworte ich Lorelai-Gilmore-Like mit UNBEDINGT!) – Aussicht inklusive.
Einmal Karibik und zurück
Der Plan des Tages sah vor zum Fidden Beach am südöstlichen Teil der Insel zu fahren. Tatsächlich ließ ich mich an dieser Stelle von Tipps im Reiseführer inspirieren. Denn die versprachen einen wundervollen Strand mit türkisblauem Wasser. Dass selbst Kim diesen Tag als sehr windig beschrieb, sollte ich spätestens am Nachmittag noch zu spüren bekommen. Schließlich bedeutet „windig“ bei den Schotten ungefähr so viel wie das deutsche „stürmisch“. Doch zunächst schwang ich mich in meinen Mokka und fuhr dem strahlend blauen Himmel entgegen. Vorbei an weiten Wiesen, dem glitzernden Meer – und natürlich unzähligen Schafen, die sich vom Straßenverkehr nicht stören ließen. Mein Ziel war die Fidden Farm Campsite. Hier wollte ich ein Plätzchen für das Auto finden. Gesagt, getan legte ich knapp 20 Minuten nach der Abfahrt die Handbremse an. Bevor der Wind die Chance bekam, mir die Tür wieder entgegen zu pressen, hüpfte ich hinaus. Bewaffnete mich mit meiner Kamera und lief hinüber zum Strand. Wieder einmal kam ich aus dem Staunen nicht heraus. Das klare blaue Wasser lag hier beinah still in der einen von vielen kleineren Buchten. Plätscherte gemütlich winzige Wellen auf den fast weißen Sand. Mit ihnen umspülte mich sofort Entspannung. Ich war völlig allein auf diesem wunderschönen Fleckchen Erde, zog die Jacke am Kragen etwas höher, die Mütze etwas tiefer ins Gesicht und setze mich auf einen kleinen Baumstamm, der einsam in der flachen Düne lag.
Ich wurde schon oft gefragt, was ich eigentlich mache, wenn ich allein reise. So einfach kann ich das gar nicht beantworte. Klar, liebe ich es zu wandern – vor allem in Schottland. Ich versuche die Kultur aufzusaugen und mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Oft haben sie tolle Geschichten zu erzählen oder wollen Geschichten von mir hören. Doch etwas, lässt sich kaum beschreiben: Momente, wie dieser am Fidden Beach. Dann nämlich sitze ich einfach nur da. Beobachte das wellenförmige Wasser, sehe den Möwen dabei zu, wie sie sich förmlich schwerelos durch die Lüfte gleiten lassen. Ich schalte mich aus. Es mag verrückt klingen. Vor ein paar Jahren hätte ich auch nie geglaubt, dass ich das kann – dieses gedankliche Schweigen. Daher bin ich überzeugt, dass man das lernen und üben kann. Vermutlich ist es aber abhängig von der inneren Einstellung gefolgt von einem kritischen Hinterfragen. Kann es sein, dass ich nicht mehr klar denken kann? Was hilft mir, um mich wieder zu konzentrieren? Brauche ich die absolute Action, um mich abzureagieren oder fühle ich mich besser, wenn ich mich einfach „ausruhe“? Bei letzterem war und bin ich immer wieder genervt, wenn der Kopf keine Ruhe gibt. Wenn er alle möglichen Dinge wälzt, über die ich gerade einfach nicht nachdenken möchte. Dann ist für mich der Moment gekommen, mich zum Ausschalten zu bringen. Orte wie der Fidden Beach sind dabei das Geheimrezept. Manch einer mag sagen, dass das ja nur Wasser, Stein und Sand sind, die man da anstarrt. Aber gerade weil sie für den Augenblick beständig sind, beruhigen sie – zumindest, wenn man es wirklich will.
Machen statt Zweifeln
Irgendwann fraß sich der Wind dann doch zwischen die Klamotten. Wohl oder Übel entschloss ich mich weiterzufahren. Einen Plan hatte ich nicht. Also fuhr ich zurück, um in Fionnphort – der westlichste Ort der Insel – nach etwas zum Mittagessen zu suchen. Den Mokka stellte ich auf einem großen Schotterparkplatz am Rande des Dörfchens ab, da in dem winzigen Hafen Parktickets gelöst werden müssen. Zu Fuß schlenderte ich die Häuserreihe entlang, bis ich am Ende der Insel den Fähranleger zur Isle of Iona sah. Nicht ganz neun Quadratkilometer groß, lag sie schweigend im Atlantik und ließ sich im wahrsten Sinne des Wortes die Sonne auf den grasigen Pelz scheinen. Selbst aus mehreren Kilometern Entfernung wirkte sie wie ein samtig weicher, dicker grüner Teppich. In einem schwachem braun-grau war die Iona Abbey zu erkennen. Man mag kaum glauben, dass hier tatsächlich Menschen wohnen. Es schien, als würde Iona in einem Dunstkreis der Einsamkeit verschwinden. Die Insel wirkte abschreckend auf mich. Sie zeigte mir förmlich die kalte Schulter ihrer Unberührtheit. Trotz ihrer geringen Größe strahlte sie mehr Anmut als die gigantischste Skyline der Welt aus. Ihre einzige Verbindung zur Welt war die kleine Fähre, die in regelmäßigen Abständen über das Meer zog. Kurzzeitig meldete sich der Teil von mir, der lieber nein sagt, als etwas zu probieren oder durchzuziehen. Wer weiß, ob dir da nicht schlecht wird? Die Fähre ist viel viel kleiner, als die von Oban nach Craignure… Da waren sie wieder, diese nervigen Gedanken, die dann kommen, wenn man sie am wenigstens braucht. Ich ignorierte sie und hüpfte in das Häuschen, um ein Ticket zu kaufen.
Warst Du mal auf den Äußeren Hebriden? Hier insbesondere die Isle of Barra oder Eriskay? Hammer. Da kommst Du Dir wirklich vor, wie auf den Malediven 😉 raumhafte Strände und ein Grün, wahnsinn 😉
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Hallo Matthias, da war ich leider bisher noch nicht. Steht aber noch auf meiner Liste! 🙂 Durch das strahlende Wetter auf Iona hatte ich das Glück auch hier einen traumhaften Strand zu sehen, inkl. Einsamkeit. Danach wird man definitiv süchtig, wenn man das einmal gesehen hat. 🙂
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Auf jeden Fall sind die Äußeren Hebriden eine Reise wert. Wir sind mit dem Auto von der Isle of Barra in 4 Wochen bis hoch nach Sitonoway gefahren und haben auf Zeltplätzen übernachtet. Traumhafte Strände, Wanderungen und Dörfchen. Total entschleunigend 😉 Auf Barra war ich letztes Jahr zum Halbmarathon.
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