Nach der Ankunft in Dublin merkte ich sofort, dass die Iren zunächst zurückhaltend wirken. Kommt man aber mit ihnen ins Gespräch und sei es nur beim Kauf eines Kaffees, sprühen sie Freundlichkeit. Schlechte Laune scheint hier fehl am Platz.
Da das Airbnb-Zimmer erst ab 18.00 Uhr bezogen werden konnte, ging es mit den Koffern erst einmal ins Zentrum der Stadt. Durch die guten Busverbindungen war das kein Problem. Die erste Anlaufstelle war ein kleines Café. Der Magen verlangte nach Arbeit – beinah klassisch gab es Hühnchen mit Kartoffelbrei und Möhren. Geschmacklich kein Gipfelstürmer, aber für den Zweck ausreichend. Langsam spürte ich ein wenig Erschöpfung von der Anreise. Seit 5 Uhr auf den Beinen zu sein und binnen kürzester Zeit ein Stück über den Atlantik zu fliegen, machte sich dann doch irgendwie bemerkbar. Wieder einmal dachte ich darüber nach, wie es vor zwei- oder dreihundert Jahren gewesen sein muss, zu reisen. Nach wie vor ist es für mich immer wieder ein kleines Wunder, welch Freiheiten die Technik des 21. Jahrhunderts ermöglicht und wie sehr wir dabei die zeitlichen Einschränkungen vergessen. Morgens noch in Mitteldeutschland war ich ein paar Stunden später in Irlands Hauptstadt und rätselte, was in diesem Land alles auf mich zukommen sollte.
Der erste Tag endete damit, dass ich der Airbnb-Vermieterin mitteilte, dass wir (eine Freundin begleitete mich auf der Reise) nicht wie geplant gegen 18.00 Uhr, sondern wohl erst gegen 20.00 Uhr ankommen würden. Wir waren in einem kleinen Pub versackt und gönnten uns das erste Bier des Urlaubs. Während wir dort so vor dem Fenster auf Barhockern an der Straße saßen, begegnete mir der erste harte Kontrast, den Dublin nicht verstecken kann. Einerseits ist die Stadt eine europäische Metropole, geprägt von Modernität zwischen alten Gemäuern und konsumorientierten Standards. Andererseits sind dort auch Menschen unterwegs, wie jene, die immer mal wieder bei uns vorbeiliefen, anhielten und nach Kleingeld fragten. Spätestens als wir abends auf dem Weg zur Unterkunft waren und auf der größten Hauptstraße Dublins die Suppenküche halt machte und dutzende Menschen versorgte, erschreckte ich mich vor dem Armutszeugnis, dass Dublin zum Teil zwischen den Straßen ablegt.
Als Tourist sieht man sich in solchen Momenten mit der unverschleierten Wahrheit eines auf Bildern hübsch anmutenden Landes konfrontiert. Ja, vielleicht mag diese Welt an der Armutsgrenze nur ein kleiner Bruchteil der großen Welt sein. Dennoch öffnete sie mir jeden Tag aufs neue die Augen, wenn ich in Dublin unterwegs war. Ich bin ein Mensch, dem so etwas immer wieder nah geht, ohne dass ich groß etwas dagegen tun kann. Dann muss ich mich daran erinnern, dass ich eben wirklich nichts an der Tatsache verändern kann, dass so etwas nicht in meiner Verantwortung liegt. Ich nutze diese Gelegenheiten, um mir selbst bewusst zu machen, dass es mir gut geht, dass ich mir Urlaube wie diesen hier gönnen kann, um die Welt zu entdecken.
Dublin habe ich auf verschiedene Weisen entdeckt. Im Trinity College wanderten wir zum Beispiel auf den vergangenen Spuren der Zeit und waren begeistert von der anmutenden Bibliothek – die wohl gemerkt zur Urlaubshauptsaison wenig von ihrem gemütlich, historischen Charme preisgeben konnte, da einfach zu viele Menschen gleichzeitig die Bücher bestaunten. Entdeckt habe ich aber auch das irische Publeben. Es ist ganz einfach zu beschreiben: der Inbegriff von Lebensfreude. Jeder Musiker lebt seinen Traum, das spürt man. Er sprüht Energie in die Räume und freut sich über jeden Zaungast, der das ein oder andere Lied mitschmettert. Genau das haben wir auch getan und dabei das grüne Lächeln der Insel an uns selbst entdeckt.