„Ich fahre jetzt übrigens nach Thüringen zum Wandern und treffe mich mit einem Typen, mit dem ich seit knapp 1,5 Wochen auf Lovoo schreibe. Also falls ich verloren gehe, sucht mich in Thüringen!“ – Diese Nachricht bekamen Freunde von mir am 9. November 2019. Nun, im Juni 2021, sitze ich auf gepackten Kisten. Der Thüringer hat mein Herz erobert und ein neues Kapitel meines Lebens steht an. Während ich diese Buchstaben aneinanderreihe, fühlt es sich an wie eine Ewigkeit, die zwischen diesem und dem heutigen Tag liegt. Trotz des Corona-Jahres, in dem beinah alles stillstand, hat sich mein persönlicher Alltag so schnell wie noch nie zuvor entwickelt.
Als ich 2016 nach Leipzig zog, um mich von meiner damaligen Trennung zu erholen und parallel zur Veröffentlichung von Cluesos „Neuanfang“ in Frage stellte „Was tut gut? Was tut weh?“, lebte ich in erster Linie meinen Job. Ich vergrub mich in den Weltfluchten mit Freunden, starrte Löcher in den Sternenhimmel, lernte mit dem Leipziger Stadtlärm zu leben, versuchte meine Freiheiten und die Zeit mit mir selbst zu überstehen und irgendwann zu genießen. Ich verliebte mich, heilte mein gebrochenes Herz, ging weiter und kam an. Als ich es am wenigsten erwartete, als ich vergaß darüber nachzudenken wie schön es doch wäre irgendwie, irgendwo anzukommen – drehte sich mein Leben auf den Kopf.
Ich sprang ins kalte Wasser, redete mir ein, dass Dates nicht wehtun und man damit einfach etwas Neues kennenlernen kann. Wenn der Mensch nicht auf meine Augenhöhe passt, dann sind vielleicht einfach nette Erfahrungen und neue Orte drin. Vielleicht war meine innere Haltung entspannter denn je oder vielleicht sollte es einfach wieder an der Zeit sein.
Jetzt, kurz vor meinem Lebenswechsel in eine andere Stadt, ein anderes Bundesland, in ein ganz neues Leben stecke ich bis über beide Ohren in To-Do-Listen. Ein wichtiger Abschnitt meines Lebens wird in Kartons gepackt, verkauft, gemalert und als Erinnerung abgespeichert. In Leipzig habe ich mich selbst gefunden, habe durch das erzwungene Alleinsein meine inneren Monologe zu ertragen gelernt, habe mit meinem Selbstzweifeln gekämpft, Albträume seitenweise in Tagebücher gekritzelt. Bis ich irgendwann die Visionen und Wünsche meines Daseins aus dem Blick verloren habe. Für viele ein Fluch, hat sich die Covid-Pandemie für mich als Segen entpuppt. Sie hat mich und meine Persönlichkeit – wie viele andere sicherlich auch – in die Knie gezwungen. Ich habe es gehasst in diese unplanbaren Abhängigkeiten geschubst zu werden. Aller Routine entrissen, saß ich irgendwann morgens mit Bademantel im Homeoffice und dachte: „Autsch, das geht zu weit!“
„Was tut gut? Was tut weh?“, ging es dann wieder durch meinen Kopf. Und ganz ehrlich, Thomas Hübner: Deine Texte, mögen sie manchmal noch so zufällig entstehen, sie treffen immer wieder ins Schwarze! Also kam ich auf kurz oder lang auf die Idee, einen anderen Weg zu gehen. Ja, vielleicht laufe ich nun wie barfuß über Glas, „doch ich fühl mich federleicht, weil es sich fast immer lohnt“.
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