Woody und der schöne Schmerz

Vor Aufregung – oder durch den Kaffee kurz vorher – konnte ich abends gar nicht einschlafen. Denn: Am nächsten Tag ging es nach Tain zum Ponytrekking. Schon seit Jahren träumte ich davon auf dem Rücken eines Pferdes durch die Highlands getragen zu werden. In Vorbereitung meines diesjährigen Urlaubes recherchierte ich nach möglichen Reitställen in der Nähe meiner Unterkünfte. Das gestaltete sich leider nicht so einfach. Da ich kaum Reiterfahrungen habe und das letzte Mal im Sattel seeeehr lange her ist, musste ich darauf achten, dass die Ponytour explizit für Anfänger angeboten wurde.

Highland Unbridled

Als ich schließlich auf die Website von Graham und Jan stieß, war mir schnell klar, das wird es. Die Weiden von den beiden liegen in Tain. Das war für mich jetzt nicht gerade um die Ecke, aber da ich es liebe Auto zu fahren – und vor allem in Schottland – nahm ich die 1,5 Stunden von Lochinver aus gern auf mich. Nachdem ich meilenweit über zu enge Straßen gefahren bin und mittlerweile Muskelkater vom dankenden Winken bekam (Ja, die Schotten sind im Straßenverkehr sehr freundlich. Lässt man jemanden durch, dankt dieser. Am Ende ist es wie bei den deutschen Busfahrern: Man dankt bzw. grüßt wiederum zurück.), rückte das kleine Tain in Sichtweite. Letztes Jahr habe ich hier zwei Nächte verbracht und dabei das mieseste Wetter der ganzen Reise erwischt. Die Unterkunft war damals zwar ein wunderschön authentischer britischer Altbau, aber eben auch authentisch kalt bei dem Wetter. Entsprechend hänge ich nicht sehr an den Erinnerungen und war überglücklich, dass der Ort während meines erneuten Besuches von der Sonne geküsst wurde.

Kaffee trinken mit einer Engländerin

Typisch deutsch war ich viel zu früh da und stand vor einem alten Wohntrailer, der als Rezeption diente. Leider sah ich drinnen niemanden, bemerkte aber schnell Stimmengewirr ein paar Meter weiter. „Hey there“ rief ich vorsichtig und prompt wandten sich die Stimmen mir zu und eine kleine, rundliche und freundlich grinsende Frau kam auf mich zugestürmt. Zwei Minuten später saß ich mit einer Tasse Kaffee in der Hand im Trailer, füllte das Formular mit meinen Daten aus und schwatzte mit Jan über Schottland. Sie selbst ist gebürtige Engländerin, lebt aber schon seit 30 Jahren hier oben.

Er kam, sah und siegte

Woody war der Mann des Tages. Beinah der Opa der Ponyrunde stand er abseits der übrigen Pferde, die für die Tour vorbereitet wurden. Als ich ihn begrüßte schauten mich zwei super treudoofe, braune Augen an. Da wusste ich, der ist genau das richtige Pferd für mich. Total tiefenentspannt schniefte er vor sich hin und machte keinen Mucks, als ich kleine Pummelfee ganz grazil in den Sattel stieg. Nachdem wir eine kleine Runde auf dem Sandplatz gedreht hatten und ich mich somit an Steigbügel, Zügel – und überhaupt alles – gewöhnen konnte, ging es schon los. Eigentlich sollte der brave Woody direkt hinter dem Pferd von Alina, die die Tour führte, reiten. Der kleine Lustknabe wollte aber partout nur mit dem Kopf am Hinterteil der schmucken braun-weiß gescheckten Jeanie hängen. Also reihte ich mich weiter hinten ein und ab ging es, hinaus auf den Feldweg. Gemütlich trotteten wir schließlich durch den Wald bis zum Strand. Auf dem Rückweg begann er mich dann auszutesten, trabte zwischendurch gern mal an oder lief einfach wieder los nachdem ich ihn zum stehen gebracht hatte. Steckte also doch ein kleiner Beasty-Boy in dem lieben Braunen. Ich kann auch stur, dachte ich mir. Hörner gegen Hörner brachten uns am Ende schließlich ans Ziel.

Bei der Rückkehr fragte ich mich ernsthaft, was mich geritten hatte, gleich einen 2-Stunden-Trek zu machen. Es fühlte sich an, als würden mein Po und meine Beine an Woody festgewachsen sein. Dennoch bestand ich darauf, ohne Tonne (um darauf zu steigen) abzusteigen. Immerhin lobte Alina mich dafür – wenn sie nicht insgeheim ein Schmunzeln unterdrückte. Den Weg zurück zum Auto lief ich wie eine frisch geschlüpfte Giraffe.

Tun statt denken?

Eigentlich wollte ich vom Reiten direkt wieder nach Lochinver fahren. Der Plan ging soweit auf, bis ich am Wegesrand das Schild zu den Rosehall Trails sah. Da ich auf der Hälfte der Strecke eh eine kurze Pause machen wollte und dringend einen Busch brauchte, nutzte ich die Gelegenheit und fuhr auf den Parkplatz. Als ich dann aus dem Auto stieg, wäre ich fast herausgefallen. Dieser wunderbare Pferderücken hatte mit meinem Hintern und der inneren Oberschenkelmuskulatur – insofern ich die jemals hatte – eine wahre Schmerzensschlacht angerichtet. Ohne groß darüber nachzudenken, schnappte ich mir meinen Rucksack und stiefelte los: Schmerz mit Schmerz bekämpfen.


Tipps am Rande
  • Beim Ponytrek sollte man auf einen Rucksack verzichten, um sich selbst zu entlasten und damit den Fokus ohne zusätzlichen Ballast auf das Pferd zu richten.
  • Grüne Schilder markieren in Schottland einzelne Wanderwege, die in der Regel durchweg markiert sind. Meistens hat man die Möglichkeit zwischen unterschiedlichen Strecken vor Ort zu wählen. Der Vorteil: Jeder Strecke ist die Laufzeit hinzugefügt. Gerade in den Wäldern liegen sie meist zwischen 1 und 2,5 Stunden.

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