Vor 5 1/2 Montaten saß ich mittags halb zwölf auf einer Bank am Oststrand von St. Andrews. Das Wetter hielt sich in Grenzen: bedeckter Himmel mit einer Prise Sprühregen, aber immerhin einigermaßen warm.
Meine Ankunft in diesem berühmten Universitäts-Örtchen hatte mir ordentlich die Laune verdorben. Hatte ich das zauberhafte Cottage in Glenlivet nach einer Woche verlassen müssen, begrüßte mich mein neuer Urlaubsort tags zuvor mit schönsten, britischen Regenströmen. Meine Pläne, den ersten Tag mit einer gemütlichen Bummeltour zu verbringen, wurden mir spätesten dann durchkreuzt, als ich bereits nach einer halben Stunde – trotz wetterfesten Klamotten – die Nässe auf der Haut spürte. Da ich seit den frühen Morgenstunden auf den Beinen war, zog ich mich in mein Airbnb-Zimmer außerhalb der Stadt zurück und kroch bereits am frühen Abend ins Bett.
Nun saß ich da und versuchte den neuen Tag, mit hoffentlich positiveren Eindrücken zu genießen. Nach einer ordentlich langen Portion Schlaf, fand ich auch plötzlich das feuchte Wetter gar nicht mehr so schlimm. Dennoch hatte ich damit zu kämpfen, plötzlich wieder abseits der Highlands zu sein: zu viel Verkehr, zu viele Menschen, zu wenig Wald. Dabei hätte ich niemals gedacht, dass ich jemals Wald vermissen würde. Aber, auch solche Einsichten gehören zum Reisen dazu. Wie soll man sich sonst selbst entdecken, wenn man bestimmte Erkenntnisse nicht durch ausprobieren hervorzaubert?
Ein Hauch von Mythos
Nachdem ich mit Blick auf das aalglatte Meer wieder ein bisschen Kraft getankt und meine positive Einstellung zurückgewonnen hatte, machte ich mich schließlich auf, die kleinen Straßen der gemütlichen Altstadt, in denen Nobelpreisträger in Medizin und Chemie, Dichter und Philosophen – nicht zu vergessen Kate und William – schon unterwegs gewesen sind. Die berühmte St. Andrews Cathedral brauchte, wie ich feststellen musste, das Nieselwetter, um ihre ganze Wirkung zum Besten zu geben. Einst war sie von immenser Bedeutung für die Entwicklung der Stadt als christliches Zentrum. Heute ist es ein mystisches Fleckchen Erde. Auf den Grabsteinen verwittern die Namen längst verstorbener Seelen, die noch stehende östliche Fassade flüstert mit jedem Stein vergangene Geschichte. Was mich selbst aber noch viel mehr begeisterte: Die Überreste der Ruine sind hervorragend erhalten und gepflegt. Wenn man die Wiesenfläche außer Acht lässt, ist es, als würde man inmitten einer riesigen Ausgrabungsfläche stehen, um dann vor dem inneren Auge das Gebäude zu rekonstruieren.
Gemütliche Shoppingtour
Neben der Kathedrale ist das St. Andrews Castle ein ziemlicher Besuchermagnet. Da ich jedoch in den zwei Wochen zuvor bereits Unmengen an alten Burgen oder deren Überreste gesehen habe, war ich diesen tatsächlich etwas überdrüssig und sparte mir den recht teuren Eintritt. Traurig war ich darüber keineswegs, da man das Gebäude bei einem Spaziergang an der Nordseebucht entlang auch super von außen sehen kann. Statt den kulturellen Spuren folgte ich denen zum Geld ausgeben. Denn ich wollte endlich meinen Bummelplan in die Tat umsetzen. In den drei parallel liegenden Straßen des historschen Kerns gibt es einige, bunt gemischte Geschäfte mit Souvenirs, Kleidung und Schmuck oder – es ist ja immer noch eine Studentenstadt – Papier- und Buchläden.
Einfach ein bisschen träumen
Einen Zwischenstop legte ich im Innenhof vor der Lower Collage Hall ein. Mittlerweile hatte sich das Wetter erbarmt und mir die Sonne beschert. Perfekt, um sich mit Sandwich und Kaffee bewaffnet auf eine der steinernen Bänke zu setzen. Da ich noch während der Semesterferien in St. Andrews war, schlichen nur ein paar Touristen zwischen den Gebäuden umher. Ich selbst ließ mir die Sonne ins Gesicht scheinen und sah Harry, Hermine und Ron durch den gegenüberliegenden Bogengang schlendern.
Golferparadies
Nachdem ich am Ende des Tages, mit vollen Tüten zum Auto zurückschlenderte, entschied ich mich abschließend noch einen Abstecher zum wohl berühmtesten Hotspot der Stadt zu machen – dem Golfplatz. Angeblich habe St. Andrews einen der besten Golfplätze der Welt. Da ich selbst so viel Ahnung von Golf habe, wie ein Wurm vom Fliegen, kann ich es in keinster Weise beurteilen. Dennoch war es für mich ein spannendes Erlebnis – ganze fünf Minuten lang – die zu 90 Prozent in weiß gekleideten Menschen, zu beobachten wie sie in höchster Anspannung die kleinen Bälle über den perfekten Rasen fegten.
Tipps am Rande
- Das Parken in der Innestadt ist ziemlich teuer. Es gibt jedoch am Stadtrand einen großen kostenfreien Parkplatz (an der School of Medicine) oder etwas zentraler an der Doubledykes Rd. gegen eine Tagesgebühr von ca. 4 Pfund.
- Wer St. Andrews ohne viel Trubel erleben möchte, sollte zwischen 9.30 und 11.00 Uhr in der Altstadt unterwegs sein.
- Die Kids vom Madras Collage haben zwischen 12.00 und 13.00 Uhr Mittagspause und besiedeln die schnellen Essgelgenheiten der gesammten Innenstadt.